Seit 50 Jahren legen Schülerinnen und Schüler am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis (BSO) ihr Abitur ab. Gebührend gefeiert wurde der Anlass am vergangenen Samstag  mit einer Akademischen Feier, die am Nachmittag im Festsaal des Volksbank Atriums in Erbach stattfand.  Bereits am Vormittag hatten künftige Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern die Gelegenheit, sich beim Tag der offenen Tür in der Schule in Michelstadt vom Leistungsangebot des Beruflichen Gymnasiums (BG) zu überzeugen. Am Abend kamen etliche Ehemalige zum Treffen in einer Gaststätte in Erbach zusammen.

50 Jahre jung

Gemessen daran, dass der Vorläufer des klassischen Gymnasiums, die Lateinschule, vor rund 400 Jahren ins Leben gerufen wurde, sind 50 Jahre Berufliches Gymnasium in Michelstadt vergleichsweise wenig. Es zeichnet diese „junge Schulform“ aus, dass sie sich in diesem halben Jahrhundert immer wieder den dynamischen Veränderungen in Wirtschaft, Technik und Gesellschaft gestellt hat, Unterrichtsinhalte und ihr Bildungsangebot zeitnah verändert bzw. erweitert hat. Auf der Akademischen Feier begnügten sich die Redner aber nicht mit einer Rückschau, sondern legten den Schwerpunkt auf eine Bestandsaufnahme und richteten den Blick voraus. Alle Redner stimmen darin überein, dass der unbestrittene Erfolg dieses Bildungsangebots auf ein bewährtes Zusammenspiel zwischen Schulleitung und Lehrkräften, nach außen hin mit Partnern aus der Politik, anderen Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft zurückzuführen Gerade dieses Zusammenwirken funktioniere im Odenwald hervorragend.

In der Region vernetzt

Ein Blick auf die Einladungsliste und in den voll besetzten Raum bestätigte, wie vernetzt und verbunden das Schulzentrum insgesamt eine feste Größe im Odenwaldkreis ist. Als vorrangige Aufgabe bezeichnete es Schulleiter Oberstudiendirektor Wilfried Schulz, einst selbst Schüler und lange Jahre auch Leiter der Gymnasialen Oberstufe, „Schüler mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und aus unterschiedlichen Schulformen so zu fördern, dass in Persönlichkeits- und Leistungsentwicklung das angestrebte Ziel, die Hochschulreife Abitur, erreicht werden kann. Besondere Begabungen und Fähigkeiten werden bei uns unterstützt und entfaltet. “ Als wesentliche Elemente bezeichnete er die Vermittlung von Methoden- und Medienkompetenz und Studierfähigkeit, Erziehung zur Teamfähigkeit und Selbständigkeit sowie zur allgemeinen Lebensbewältigung.

Seit 2007 gibt es für alle hessischen Oberstufen ein schriftliches Zentralabitur. Die Gleichwertigkeit als Abschluss der Allgemeinen Hochschulreife ist jedoch bereits seit Jahrzehnten gegeben, wenn auch „der erste Jahrgang des damaligen Wirtschaftsgymnasiums diesen erst erkämpfen musste und auf der Straße demonstrierte“, erinnerte die heutige BG-Leiterin Studiendirektorin Sabine Domack-Kühn, die neben früheren Schulleitern und anderen Ehemaligen auch drei ihrer Vorgänger begrüßen durfte. Als prägendes Merkmal hob sie den Anspruch der Oberstufe im Berufs- und Praxisbezug durch Praktika und Projekte mit der regionalen Wirtschaft hervor. Für diese gratulierte Jürgen Walther in seiner Funktion als Vorsitzender der Industrievereinigung Odenwaldkreis zum Jubiläum und bescheinigte dem BG, „stark durch hochmotivierte Lehrer geprägt“ zu sein.

In ihrem Gastreferat lenkte Professorin Dr. Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employment an der Hochschule Ludwigshafen den Blick auf die gesellschaftlichen Veränderungen durch den fortschreitenden Prozess der Digitalisierung in allen Lebensbereichen. Ihr Fazit, die Industrialisierung 4.0 unter besonderer Beachtung der Grundwerte der Demokratie in Deutschland zu gestalten, honorierten die Gäste mit stehendem Applaus.

Für den Odenwaldkreis als Schulträger machte Kreisbeigeordneter Dr. Michael Reuter in Vertretung des Landrates Frank Matiaske deutlich: Das Berufliche Gymnasium ist ein unersetzlicher Baustein im Bildungsangebot der Region. “Fließen die in Aussicht gestellten Investitionsmittel aus Wiesbaden (Kommunales Investitionsprogramm) und stimmt der Kreistag dem Vorhaben zu, wovon auszugehen sei, werde endlich auch absehbar das bauliche Sorgenkind am BSO, der aus den 1970ern stammende N-Bau, durch einen Neubau ersetzt. Für die Schülervertretung machte Schulsprecher Benedict Meyer sehr deutlich auf die Notwendigkeit des Neubaus aufmerksam und hob „das große Spektrum an Möglichkeiten“ an der Schule hervor.

Vortrag: Digitalisierung bestimmt die Arbeitswelt der Zukunft

In ihrem Gastvortrag arbeitete Professorin Dr. Jutta Rump vom Institut für Beschäftigung und Employment an der Hochschule Ludwigshafen anschaulich heraus, dass die voranschreitende Digitalisierung in Zukunft noch mehr als bisher die Berufs- und Arbeitswelt beeinflussen und verändern wird. „Digitalisierung ist omnipräsent; Digitalisierung ist die Vernetzung zur Echtzeit“, machte die Referentin am Beispiel von Messengerdiensten und Social Media deutlich. In der Arbeitswelt sei man schon viel weiter: Industrie 4.0 werde den stetigen Veränderungsprozess noch einmal beschleunigen und wo immer es möglich ist, berechenbare Arbeitsabläufe automatisieren. Entscheidend für den sozialen Frieden werde sein, dass Menschen Regeln aufstellen werden, wozu Maschinen nicht in der Lage seien. Wie die Zukunft aussehen wird, sei auch maßgeblich davon abhängig, dass eine Wertegesellschaft weiter Bestand haben wird. Unter Beifall forderte sie dazu auf, wie bei der Gründung der Bundesrepublik, die christliche Soziallehre als Maßstab für gesellschaftliche Entwicklungen anzuwenden. Dem Einzelnen gab sie mit auf den Weg, sich seines „persönlichen Vermögenswertes“ bewusst zu werden und für eine ausgewogene Work-Life-Balance zu sorgen.

50 Jahre Berufliches Gymnasium in Michelstadt

Das Wirtschaftsgymnasium, wie das Berufliche Gymnasium (BG) zu Beginn hieß, ging im September 1967 an den Start. Das Schulzentrum in Michelstadt firmierte damals unter der Bezeichnung Kreisberufsschule. Bereits vor mehr als 50 Jahren waren gut auf das Berufsleben vorbereitete junge Menschen sehr gefragt. Mit der Einrichtung von Wirtschaftsoberschulen hatten die Bundesländer auch auf „den erhöhten Qualifizierungsbedarf auf Grund des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts reagiert“, ließ BG-Leiterin Sabine Domack-Kühn auf der Akademischen Feier Revue passieren. Am 11. Juni 1970 erhielten die ersten 15 Absolventen ihr Abiturzeugnis. Die Schülerzahlen stiegen rasant an und erreichten vor etwa zehn Jahren mit über 300 ihren Höchststand. Seitdem macht sich der Geburtenrückgang bemerkbar und die Zahl liegt bei etwa  230 Schülern. Mit Schuljahresbeginn 1977/78 wurde die Bezeichnung Wirtschaftsgymnasium in „Berufliches Gymnasium mit der Fachrichtung Wirtschaft“ geändert. Die klassenweise Beschulung bis zum Abitur wurde durch ein Kurssystem ersetzt. Heute haben die Schüler die Wahl unter den Fachrichtungen Technik (Datenverarbeitungstechnik oder Mechatronik), Gesundheit, Wirtschaftslehre oder Business Studies and Economics (Wirtschaftslehre bilingual in englischer Sprache). Im bilingualen Zweig besteht zudem die Möglichkeit, das externe Excellence Label „European Baccalaureate Business Diploma“ (EBBD) zu erlangen.

Für interessierte Schülerinnen und Schüler, die im nächsten Schuljahr in eine Oberstufe wechseln wollen, besteht die Möglichkeit die Schulform an einem der Schnuppertag vom 07. bis 09. Februar 2018 besser zu kennen zu lernen. Informationen und Anmeldungsformulare finden sich hier.

 

Text: Manfred Giebenhain

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Fotos: Beitragsfoto: Manfred Giebenhain, Galerie: Dr. Sabine Hofmann

Beitrag: Dr. Sabine Hofmann, 29.1.2018