Ganz so euphorisch wie die Jubelgesänge mancher Fußballfans fiel die Vorfreude der Beteiligten zwar nicht aus, aber nach dem pandemiebedingten Ausfall im Vorjahr war es in diesem Jahr wieder möglich, eine Studienfahrt innerhalb Deutschlands zu starten. Traditionell konnten die Schüler*innen der Jahrgangsstufe Q3 der Beruflich Gymnasialen Oberstufe für die Woche vor den Herbstferien diesmal zwischen zwei Angeboten wählen. Sieben Schülerinnen und zwei Schüler des Deutsch- Leistungskurses von Herrn Obrath entschieden sich für die Fahrt nach Berlin.

In mehreren Vortreffen wurden die Interessenten auf die Fahrt vorbereitet und legten sich auf ein Themengebiet fest, zu dem sie einen Vortrag ausarbeiteten, der vor Ort gehalten werden sollte. Jana Kumpf übernahm die Dokumentation der Fahrt. Gemeinsam mit ihrem Begleitlehrer Jörg Navratil ging es unter Einhaltung strengen Corona-Maßnahmen für fünf Tage in die Bundeshauptstadt. Nach der Ankunft im Hotel im Stadtteil Moabit wurden zunächst die Zimmer bezogen und die Koffer ausgepackt. Im Anschluss stand die erste Orientierung in der City und die Erkundung des öffentlichen Nahverkehrs an, bis die Teilnehmer*innen dann ins Berliner Nachtleben eintauchten.

Auf den Spuren deutscher Geschichte

Am nächsten Morgen machte sich die Studienreisegruppe auf den Weg, um auf den Spuren deutscher Geschichte zu wandeln. Startpunkt war das Regierungsviertel mit der Besichtigung der bedeutenden Gebäude der Demokratie. Am Bundeskanzleramt konnte Diogo Ribeiro Ferreira eindrucksvoll über das „Band des Bundes“ mit den dazugehörigen Bauten berichten. Zu Fuß ging es weiter zum Brandenburger Tor, an dem Nikolina Vozetic interessante historische Informationen zu dem imposanten Bauwerk preisgab. Im Anschluss wurde noch das ein oder andere Selfie geschossen, bevor der Weg zum Mahnmal der ermordeten Juden fortgesetzt wurde. Das individuelle Durchschreiten des beindruckenden Stelenfeldes konnte jede/jeder auf sich wirken lassen.

Am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen berichtete Verena Vogl über die erschütternden Schicksale der Verfolgten. Sie beleuchtete zusätzlich die Bedeutung Berlins als eine der wichtigsten Metropolen, in der Homosexuelle relativ frei und gefahrlos leben können. Nach wenigen Kilometern Fußmarsch gelangten die angehenden Abiturient*innen an den legendären Checkpoint Charlie.  Der Regen, der mittlerweile eingesetzt hatte, hinderte Vanessa Vogl nicht daran, auf fesselnde Art und Weise ihren Zuhörern die Vorkommnisse am wichtigsten Grenzübergang zwischen Ost- und West-Berlin näher zu bringen und anschaulich zu machen, dass es an diesem Ort fast zum Ausbruch des Dritten Weltkrieges hätte kommen können, als sich sowjetische und amerikanische Panzer ziemlich genau vor 60 Jahren gefechtsbereit gegenüberstanden. Direkt neben dem geschichtsträchtigen Kontrollpunkt fanden sich die jungen Odenwälder*innen, vorm zunehmenden Niederschlag geschützt, in „asisis Panorama DIE MAUER“ ein. In dem zylindrischen Gebäude schickt der Künstler Yadegar Asisi Berlin-Besucher auf die Zeitreise, die sie in einen Herbsttag im Kreuzberg der 80er Jahre zurückversetzt. Von der vier Meter hohen Plattform blickt der Besucher auf das 15x60m große Panoramabild, das im 270°-Bogen im Maßstab 1:1 einen authentischen Eindruck vermittelt. Das interaktive Erlebnis geht dabei von Sonnenauf- bis -untergang und wird durch die Geräuschkulisse in Szene gesetzt.

An diesem verregneten Tag hatte man nicht den Eindruck, dass der Gendamenmarkt als einer der schönsten Plätze Berlins gilt. Dennoch bot er gerade für Deutsch-LKler interessante Informationen, wie Pia Semmler zu verstehen gab. Neben der Statue Friedrich Schillers, die zentral auf dem Platz vor dem Konzerthaus steht, lebte hier auch einst der Dichter E.T.A. Hoffmann als prominentester Bewohner, mit dessen ein oder anderem Werk sich die Lernenden schon in ihrem Unterricht auseinandergesetzt hatten. Nachdem die 284 Stufen des Französischen Doms erklommen waren, wurde die Reisegruppe auf der 40 Meter hohen Aussichtsbalustrade mit einem schönen Rundumblick belohnt.

An der St. Hedwigs-Kathedrale vorbei ging es über den Bebelplatz, als Ort mit dem Denkmal zur Bücherverbrennung, bis zur Staatsoper mit Blick auf die Humboldt-Universität. Über die Prachtstraße „Unter den Linden“ bewegten sich die „Odenwälder Wanderer“ zum letzten Tagesziel, dem Tränenpalast. Nach ca. 10 Kilometern Fußweg bot die Dauerausstellung als Ort der deutschen Teilung intensive Einblicke wie es zur Gründung der zwei deutschen Staaten und zum Bau der Berliner Mauer kam, wie die Zoll- und Passkontrollen im Tränenpalast und die Überwachung am Grenzübergang Friedrichstraße funktionierten.

Berlin zu Wasser

Bei herrlichem Herbstwetter konnte es am dritten Tag etwas gemütlicher angegangen werden. In einer 1,5-stündigen Schifffahrt auf dem sonnenverwöhnten Oberdeck ging es mit dem Raddampfer über die Spree durch die Berliner City. Eine andere Perspektive auf die Stadt lieferte diese Fahrt durch das Regierungsviertel mit Reichstag, dem historischen Berlin mit Museumsinsel und Nikolaiviertel, über die Mühlendammschleuse zur Eastside Gallery und von der Oberbaumbrücke wieder zurück bis zur Mercedes-Benz Arena. Auf dem Weg zum Ostbahnhof ging es vorbei an den 1,3 Kilometer langen Überresten der Berliner Mauer, die nach der Wende von verschiedenen Künstlern bemalt wurden und für einige Gehpausen des Erstaunens sorgten.

Über den Dächern von Berlin

Nach der Ankunft in Berlin Mitte gab es einen Abstecher zum Roten Rathaus, dem Sitz des Regierenden Bürgermeisters, der Senatskanzlei und Tagungsort des Senats von Berlin. Wegen einer Baustelle war leider von dem barocken Bauwerk des Neptunbrunnens nicht allzu viel zu sehen. Der Blick auf den mächtigen Fernsehturm war jedoch gegeben, sodass Adina-Vanessa Ioja in einem informativen Vortrag zahlreiche Fakten zum mit 368 Metern höchsten Bauwerk Deutschlands lieferte. Daran schloss sich der Besuch der beliebten Sehenswürdigkeit an. Mit dem Aufzug ging es in nur wenigen Sekunden auf die 203 Meter hohe Aussichtsetage, die einen atemberaubenden 360°-Panoramablick auf die Stadt bot.
Zum Abschluss waren neben der Weltzeituhr für viele Schülerinnen und Schüler die zahlreichen Shoppingmöglichkeiten auf dem Alexanderplatz verlockend.

Sportlich unterwegs

Tag vier führte die Reisegruppe zu einem weiteren Wahrzeichen Berlins, der Siegessäule. Gekrönt wird sie von einer 8,3 Meter hohen und 35 Tonnen schweren vergoldeten Bronzefigur, der Siegesgöttin Viktoria. Neben weiteren Bezeichnungen für diese Statue erläuterte Isabella Illner auch die geschichtlichen Zusammenhänge in Verbindung mit den sogenannten Einheitskriegen sowie die Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten. Anschließend begab sich die Gruppe über die 285 Stufen der Wendeltreppe im Inneren der Säule auf die 50,66 Meter hoch gelegene Aussichtsplattform mit gutem Ausblick über den Großen Tiergarten, den Potsdamer Platz, das Brandenburger Tor und das umliegende Stadtgebiet. Auf der Straße des 17. Juni ging es dann weiter bis zur S-Bahn-Station Bellevue, von wo die Fahrt Richtung Olympiapark fortgesetzt wurde. Bei der Individualbesichtigung des Berliner Olympiastadions ging Lion Scheil neben der Bedeutung dieser einzigartigen Sportstätte heutzutage insbesondere auf die Olympischen Spiele ein, die hier 1936 unter dem Regime der Nationalsozialisten ausgetragen wurden.

Die individuelle Gestaltungsfreiheit nach der Begehung wurde zur Besichtigung eines Seriendrehortes, des Schlossparks des Charlottenburger Schlosses oder eines Abstechers auf den Kurfürstendamm genutzt. Hier erinnert unweit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche der „Goldene Riss“ als Mahnmal an die Terroropfer vom Breitscheidplatz.

Koffer packen

In aller Früh bestand am letzten Tag die Möglichkeit, einen Kurztrip zum Wannsee zu unternehmen. Nach der etwa halbstündigen Fahrt mit der S- Bahn und dem kurzen Fußweg lag das beliebte Eldorado für Wassersportler vor uns, noch in leichten Nebel gehüllt. Nach dem Besuch der Heinrich von Kleist-Gedenkstätte musste dann wieder der Rückweg angetreten werden. Nun war es Zeit fürs Kofferpacken und wenig später ging es ohne nennenswerte Verspätungen mit der Bahn auf die Heimreise in den Odenwald.

Text: Jana Kumpf & Jörg Navratil

Fotos: Jörg Navratil

Beitrag: Dr. Sabine Hofmann am 4.11.2021