Seit 2004 gibt es regelmäßige Begegnungsfahrten von Schreinerauszubildenden des Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis in Michelstadt zur staatlichen Berufsschule „Porte des Alpes“ in der Michelstädter Partnerstadt Rumilly im französischen Hochsavoyen, die auf die Ausbildung in allen Bauberufen spezialisiert ist.

 
Dabei erfahren die Odenwälder Tischler, dass die Erbacher Partnerstadt Pont-de-Beauvoisin nur 60 Kilometer von Rumilly entfernt liegt und ein Museum für Holzbearbeitungsmaschinen und –werkzeuge beherbergt und das nicht ohne Grund: die seit 50 Jahren mit Erbach verschwisterte Stadt ist eine Möbelstadt. Dort gab es ungefähr fünfzig Betriebe, die Stilmöbel herstellten. Zwölf Kilometer von dort entfernt liegt das Dorf Saint-André-le-Gaz, in dem eine kleine Berufsschule mit besonderer pädagogischer Prägung und Internat junge Franzosen im Holz- und Kfz.-Bereich ausbildet. Die sogenannten Maisons Familiales Rurales, abgekürzt MFR, gibt es nur im ländlichen Raum und unterstehen dem Pariser Landwirtschaftsministerium. Sie arbeiten vergleichbar dem deutschen dualen System der Ausbildung mit einem „alternierenden System“ ähnlich dem Blockunterricht, bei dem die Lehrlinge abwechselnd zwei oder drei Wochen vollzeitlich in den Betrieben und eine Woche ganz in der Berufsschule mit dem Internat sind. Rechtlich betreiben die Schülereltern und die beteiligten Betriebe diese Schulen. Es gibt sie seit den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts inzwischen 500 mal in Frankreich und auch in verschiedenen anderen Ländern. Durch das Museum in Pont-de-Beauvoisin lernten die Lehrer Michael Reiß und Daniel Becker diese spezielle Ausbildungsform kennen und beziehen seit 2008 einen Besuch beim MFR St. André, das zur Zeit cirka 180 Schüler zum Berufsabschluss begleitet, in ihr Begegnungsprogramm mit ein.
 
In der vergangenen Woche waren 16 Auszubildende aus dem vierten Ausbildungsjahr mit ihrem Fachlehrer Bertrand Guttin und der Französisch-, Geschichts- und Geographielehrerin Laurence Rabatel fünf Tage lang in der Erbacher Jugendherberge einquartiert und machten ihren zweiten Gegenbesuch bei ihrer Partnerschule, dem Beruflichen Schulzentrum des Odenwaldkreises. Als verantwortliche Lehrkraft für die duale Tischlerausbildung im Odenwaldkreis organisierte Studienrat Daniel Becker das Programm für die Gäste aus Frankreich. Nach einer Besichtigung der Werkstätten der Schreiner, Holzbildhauer, Drechsler und Elfenbeinschnitzer wurde der französische Besuch von dem stellvertretenden Schulleiter Bernd Saufhaus zu einem Informationsaustausch empfangen. Anschließend stand eine Führung durch die Sammlungen im Erbacher Schloss auf Französisch auf ihrem Programm. Nach dem Mittagessen in der Cafeteria der BSO und dem Rundgang durch Michelstadts Altstadt gab es abends ein Fußballturnier mit Auszubildenden des BSO. Am nächsten Tag fuhren die Auszubildenden der dualen Tischlerausbildung zusammen mit den Gästen zum Besuch der Bürstädter Möbelfabrik, Bürstadt Furniture die Küchen für IKEA herstellt und am Nachmittag dann noch zur Brauerei Schmucker nach Ober-Mossau.
 
Der dritte Tag führte die Gäste in das Museum für angewandte Kunst nach Frankfurt und zum dortigen Weihnachtsmarkt. Beeindruckend war den Gästen aus Frankreich, wie viele Holzfiguren über den ganzen Michelstädter Weihnachtsmarkt verteilt von Holzbildhauern und Drechslern des BSO im Laufe der Jahre und Jahrzehnte schon angefertigt worden sind. Den krönenden Abschluss bildete das festliche Abendessen in einem Michelstädter Restaurant. Von ihrem ausgefüllten Besuchsprogramm fast überwältigt, fuhren sie zufrieden am Morgen des Markteröffnungstags wieder nach Hause zurück. Die beteiligten Lehrer möchten die gegenseitigen Besuche auch in den nächsten Jahren weiterführen.
 
Franzosen_2014