Mittelstufenschüler in der Holzwerkstatt des BSO MichelstadtMICHELSTADT – (mg). Die Berufswelt begreifbar und erlebbar zu vermitteln, dies ist das Hauptanliegen der Mittelstufenschule. Als solche hat sich die Theodor-Litt-Schule in Zusammenarbeit mit dem benachbarten Beruflichen Schulzentrum des Odenwaldkreises schon vor drei Jahren auf den Weg gemacht. Mit im Boot bei der Mittelstufenschule ist neben der Theodor-Litt-Schule (TLS) und dem Beruflichen Schulzentrum des Odenwaldkreises (BSO) in Michelstadt auch die Otzbergschule in Lengfeld. Eine erste Zwischenbilanz fällt durchweg positiv aus: bei Schülern, Lehrern und Eltern gleichermaßen.
 
In Hessen gibt es derzeit rund 20 Mittelstufenschulen. Die TLS zählt zu den ersten, die im Schuljahr 2013/2014 mit fünf Klassen der Jahrgangsstufe acht die Berufsorientierung in den wöchentlichen Stundenplan integriert hat. „Als Pilotschule sind wir ein Jahr früher an den Start gegangen, als es der Regelbetrieb des Kultusministeriums vorgesehen hat“, unterstreicht Schulleiter Dieter Weis. Den Erfahrungsvorsprung gibt die Bildungsstätte gern weiter. „Das frühe und zwanglose Kennenlernen der beruflichen Felder wird von den Schülerinnen und Schülern gerne angenommen und seitens der Eltern begrüßt“, so Weis.

Pilotschule gibt Erfahrung gern weiter

Nichts anderes ist aus Otzberg-Lengfeld zu vermelden: Die räumliche Entfernung ist zwar nicht von Vorteil, doch worauf die Kinder sich freuen, dafür nehmen sie gern Wege in Kauf. „Das Konzept hat uns sofort überzeugt, weshalb wir die Kooperation mit dem BSO sehr gerne eingegangen sind“, zieht auch die dortige Schulleiterin Frauke Wulff-Meyer eine erste positive Bilanz. Rund 80 Schüler aus den achten und neunten Klassen fahren seit anderthalb Jahren einmal pro Woche nach Michelstadt, um sich die sechs Berufsfelder dort näher anzusehen oder später an einem Vertiefungskurs teilzunehmen.
 
Alles spielt sich in den Werkstätten am BSO ab, wo auch der Berufsschulunterricht steigt. Für die Fachlehrer ist es längst normal, dass Schüler aus anderen Schulen ein und aus gehen. Auch sie empfinden das als Bereicherung, so Gabriele Hotz-Seeh, Abteilungsleiterin für Ernährung, Gesundheit, Körperpflege, Berufsvorbereitung.
 
Susanne Paulus und Sabrina Kriechbaum vom Schwerpunkt Wirtschaft sind stolz auf „ihre“ Mittelklässler von der TLS-Klasse 10, die Anfang Dezember den Projekttag für die Grundschüler der Stadtschule Michelstadt bis ins Detail organisiert und begleitet haben. Nach und nach dürfen alle Viertklässler mal schauen, was die Älteren in den Werkstätten gelernt haben. Und diese geben ihr Wissen zwanglos an die Jüngeren weiter; Lehrer beschränken sich auf die Kontrolle des Zeitplans. In der Holzwerkstatt treffen die Grundschüler auf den 16 Jahre alten Umut Yildiz, einen der Schüler im Vertiefungskurs, der an der Werkbank die Griffe anleitet, damit aus zwei vorgefertigten Holzelementen ein Stiftehalter wird. Auch der zwei Jahre ältere Yemame Abraham aus Eritrea genießt den Praxisbezug und will im technischen Bereich eine Lehre absolvieren.

Mitbringsel erinnert an Tag in Werkstätten

Inzwischen haben die Grundschüler sich mit Hammer, Kleber, Schraubenzieher und Schleifpapier vertraut gemacht und lassen von Fachlehrer Wolfgang Häder das Logo der BSO auf ihr Werkstück einbrennen. Auch andere „Mitbringsel“ und Erlebnisse halten die Erinnerung an den Tag in den Werkstätten wach.
 
In der Station „Gesundheit und Körperpflege“ spielt Hygiene eine bedeutende Rolle. Spaß macht es den Kindern, an Puppen die wichtigsten Handgriffe zur Versorgung von Säuglingen zu lernen. In der professionell eingerichteten Lehrküche (Sparte „Ernährung und Gastronomie“) warten leckere Muffins darauf, verspeist zu werden. Unter den Fittichen von Gabriele Kleer bereitet sich Saskia Böhm (17) auf ihre Ausbildung zur Restaurantfachkraft vor: „Auf diesen Beruf habe ich mich beworben und habe schon eine Stelle in Aussicht.“
 
Das Konzept sieht vor, dass alle Schüler der achten Klassen der TLS wie der Otzbergschule pro Woche einen Tag an der Berufsschule unterrichtet werden. Sie erleben hautnah, was es heißt, zum Beispiel als Schreiner, Metallbauer, Koch, Krankenschwester oder als Fachkraft für Bürokommunikation zu arbeiten“, erklärt BSO-Schulleiter Wilfried Schulz. Nach zehn Wochen wechselt das Fachgebiet auf dem Stundenplan. So sammelt jeder Schüler Praxiserfahrungen in der Metall- und Holztechnik, in Ernährung und Hauswirtschaft, im Gesundheitswesen sowie in Wirtschaft und Verwaltung. Im darauf folgenden Schuljahr wählen die Schüler sich in einen Schwerpunkt ein, in dem sie vertiefend weiter unterrichtet werden.
 
Neben der frühen beruflichen Orientierung und dem möglichen Übergang in eine duale Ausbildung bietet die neue Schulform weiter die Möglichkeit, später ins Berufliche Gymnasium oder die gymnasiale Oberstufe zu wechseln.
 
Anmeldungen nehmen die beiden Mittelstufenschulen Theodor-Litt-Schule in Michelstadt (Leiterin der Aufbaustufe Christel Schwebel, Telefon 06061-941917) und Otzbergschule (Schulleiterin Frauke Wulff-Meyer, Tel. 06162-809880) entgegen. Auskünfte am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis in Michelstadt gibt Gabriele Hotz-Seeh (Telefon 06061-951111).
 
Quelle: Artikel aus dem Odenwälder Echo vom 16.12.2015
Foto: Manfred Giebenhain
Beitrag: Kevin Sommer am 17.12.2015