Kein Traum, sondern Wirklichkeit: Am Morgen des 30. September hieß es „Vienna calling“. So versammelte sich in freudiger Erwartung rund ein Drittel der künftigen Abiturientinnen und Abiturienten des Beruflichen Gymnasiums mit ihren „Herren Professoren“, wie Gymnasiallehrer in Österreich genannt werden, am Frankfurter Flughafen, um zum Zielort ihrer Studienfahrt zu gelangen.
Angekommen in einem angenehmen Domizil in der nicht nur historisch bedeutsamen Leopoldstadt, dem 2. Wiener Bezirk, galt es dann, sieben Tage lang das Zentrum der einstigen k. und k.-Monarchie zu Fuß sowie mit Straßen- und U-Bahn zu erkunden, kennen- und schätzen zu lernen. Nach den ersten Eindrücken (Stephansdom, Ringstraße, Donaukanal) staunten die Schüler nicht schlecht, wie viel Kunst und Kultur einem auf Schritt und Tritt begegnen kann.
Kunst, Kunst, Kunst
Schloss Belvedere (oberes und unteres!), 21er Haus (Museum für zeitgenössische Kunst) Leopold-Museum (nur eines von vielen in einem ganzen Museumsquartier). Und als ob das noch nicht genug Kultur gewesen wäre, schleppten die Lehrer ihre Schüler auch noch auf historischen Pfaden wahlweise ins Sissi-Museum oder die kaiserliche Schatzkammer und in den Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, jeweils einem Teil der Hofburg, dem einstigen Regierungssitz österreichischer KaiserInnen.
Das 21er Haus beeindruckte neben einem Foto-Workshop, in dem sich die Schüler mittels einer Polaroid-Kamera den ausgestellten Kunstwerken in einer Erfahrung von Selbst und Welt nähern konnten, durch seine Ausstellung „Duett mit KünstlerIn“. Hier wurden die Schüler und Lehrer zu Akteuren künstlerischer Prozesse, indem sie zur Teilnahme, performativer Ausführung oder Kooperation aufgefordert waren. Das Museum machte denn auch sichtlich Laune.
Im Leopold-Museum wurde unter fachkundiger Führung anschaulich, wie sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Kunst und Kultur vom „lieblichen Stimmungsimpressionismus“ zur „Wiener Moderne“ radikal wandelten und wie das in der Malerei zum Ausdruck kam. Auch wenn außer Herrn Studienrat M. Orth an den Egon Schiele-Bildern so recht keiner Gefallen finden konnte, beeindruckten doch die Gemälde von Klimt, Koloman Moser, Kokoschka oder Kolig wie auch die Architektur des Hauses insgesamt.
Warum das Schloss Belvedere so heißt, wurde klar, als man bei herrlichstem Wetter – vom oberen Schloss – einen fantastischen Blick auf die Wiener Innenstadt hatte. Prinz Eugen, der edle Ritter, hatte die Schlösser als Sommersitz (!) erbauen lassen. Heute beherbergen die Schlösser, die ein weitläufiger barock gestalteter Park verbindet, die weltweit größte Sammlung von Bildern des Malers Gustav Klimt sowie einen Überblick über die österreichische Malerei von der Antike bis zur Moderne. Nicht wenige Schüler zeigten sich denn auch schwer beeindruckt von metergroßen Gemälden, dem Klimt´schen „Kuss“ oder der Sonderausstellung „Klimt und die Antike – Erotische Begegnungen“.
Gleichwohl atmete dann doch manch einer hörbar auf, als das Freud-Museum sich nicht in der Lage sah, die große Gruppe wissbegieriger BSO-Gymnasiasten auf einmal einzulassen. Damit blieb für viele das Wandeln auf den Spuren des bedeutenden Psychoanalytikers nur ein Traum.
Die Datenverarbeiter und ihre Groupies waren denn auch ganz froh, an diesem Tag das Technik-Museum visitieren zu können. Auch der Tiergarten in Schönbrunn war eine angenehme Abwechslung. Und die „Freudlosen“ hatten Zeit, einen der Manner-Shops zu erkunden, Schweizer (!) Pralinen zu Höchstpreisen zu kaufen, den Naschmarkt unsicher zu machen oder sich je nach Neigung und Laune einen weltlichen (Ernst-Happel-Stadion) oder einen sakralen Tempel (Stephansdom) zu Gemüte zu führen. Bei letzterem hieß das gar, an einer Messe teilzunehmen, was jeder gute Katholik tun sollte, wie Oliver mahnend beim Präsentations-Nachmittag „Mein Wien“ zu bedenken gab.
Schnitzel, Torte, Würstel …
Aber nicht nur der Geist wurde gesättigt. Bekanntlich halten Essen und Trinken Leib und Seele zusammen. Hierfür war Wien der passende Ort. Jenseits der üblichen Globalisierungsörtlichkeiten ließ sich so mancher darauf ein, in einem klassischen Kaffeehaus eine Sacher- oder eine Esterlhazytorte zu verkosten. Vom Naschmarkt war bereits die Rede und die Lehrer evaluierten den jeweiligen Projekttag nächtens gerne ´mal am Würstelstand.
Überhaupt war die Studienfahrt auch eine Fressfahrt. Vegetarier oder gar Veganer schienen fast ausnahmslos an anderen Studienfahrten teilzunehmen, denn in Wien wurde gemeinsam, in einem typischen Beisl, Wiener Schnitzel gegessen – in Mengen. So war man denn auch für einen sich anschließenden zünftigen Praterbesuch gerüstet.
Um Essen und Trinken schien es vordergründig auch beim Programmpunkt „Heurigen“ zu gehen. Zunächst jedoch ging es mit Straßenbahn und Omnibus, vorbei am Fernheizkraftwerk Spittelau mit der von Friedensreich Hundertwasser („Traum wird Wirklichkeit“ ) gestalteten Fassade, vor die Tore Wiens – an den Fuß des Kahlenbergs. „Nur wer am Kahlenberg war, hat Wien gesehen“.
Aber: ohne Fleiß kein Preis… So wurde die Einkehr in einem gemütlichen Heurigen an einem spätsommerlich herrlichen Tag mit einer für manche unerwartet sportlich anmutenden Weinberg-Wanderung verknüpft. Dennoch machte das bei allen Beteiligten gute Laune.
Das ländliche Flair des Tages wurde am Abend mit einem urban-kulturellen Highlight kontrastiert: einem gemeinsamen Besuch des legendären Burgtheaters. Zu bestaunen gab es nicht nur die Innenarchitektur, sondern vor allem die faszinierende Inszenierung des Shakespeare-Stücks „Ein Sommernachtstraum“ von Leander Haußmann. „Bislang dachte ich, Theater sei was für alte Leute“, so Simon, „aber ich fühle mich richtig gut unterhalten.“
Am Nachmittag des 6. Oktober hieß es dann: Ciao, baba Wien. So endete eine rundum gelungene und erfolgreiche Studienfahrt, dank der Vorbereitung und Mitwirkung aller Beteiligten.
Text und Bilder: Frank Obrath
Beitrag: Dr. Sabine Hofmann am 6.12.2017