Er hat „den ganz normalen Wahnsinn“ an einer Schule mit rund 2000 Menschen zwischen 14 und 35 Jahren schätzen gelernt, möchte den Job noch lang machen: Holger May (56) ist Hausmeister am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis (BSO).
„Von hier aus gibt es warme Klassenzimmer – oder eben nicht“, grinst der Mann in seiner kleinen Schaltstelle im A-Bau des BSO in Michelstadt. Doch keine bange, bösartig ist der Hausmeister der größten Schule im Landkreis nicht. Vielmehr ist May die gute Seele des Massenbetriebs mit derzeit rund 2000 Schülern und 150 Lehrkräften, verteilt auf zehn Gebäude. Ohne ihn würde vieles nicht laufen. Und wenn es sein muss, ist der 56-Jährige auch für die kleinen Problemchen der jungen Leute da. So wie damals, als einer Schülerin der Absatz am Schuh weggebrochen war, May mit Nagel und Kleber eine Notreparatur hinlegte und das Mädchen erleichtert nach Hause ging.
Seit 14 Jahren macht der in Anklam (Mecklenburg-Vorpommern) geborene und 1990 in den Odenwald gezogene Holger May den Hausmeister-Job im BSO. Und das ganz offensichtlich noch immer mit Freude. „Ich habe nicht vor, früher in Rente zu gehen“, schmunzelt er. Der Beruf sei vielfältig, „es gibt jeden Tag was anders, das Miteinander funktioniert“.
Das sei nicht selbstverständlich, betont May: „Für diesen Job muss man ein Teamplayer sein, sich mit Lehrkräften und Schulleitung verstehen – und auch die Schüler wertschätzen.“ Was an einer Einrichtung wie dem BSO nicht einfach ist: Die Schüler sind größtenteils zwischen 14 und 35 Jahre alt, kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten und öfter auch aus fremden Kulturen. Gerade am Anfang eines Schuljahres, wenn wieder viele neue Gesichter dabei sind, „dauert es ungefähr drei Monate, bis alle eingenordet sind“. Damit umschreibt der Hausmeister, dass er gegenüber manchen Neulingen anfangs strenger auftreten muss, bis die an der Schule geltenden Regeln akzeptiert sind. Das kann Nerven kosten. Aber May lebt die richtige Mischung aus Autorität, freundlicher Verbindlichkeit und Fingerspitzengefühl, die seinen Alltag erleichtert – und ihm von Schülerseite her auch mal ein Kompliment einbringt. So dürfte es nicht viele Hausmeister geben, die bei Heranwachsenden als „coole Socke“ durchgehen. Nicht ganz so cool bleibt der Mann, wenn trotz voll laufender Heizung die Fenster offengelassen werden. „Das geht gar nicht, das spreche ich dann auch deutlich an.“
Ebenfalls unabdingbar in diesem Beruf: handwerkliches Geschick, Flexibilität, Improvisationstalent und die Bereitschaft, auch mal über die reguläre Arbeitszeit hinaus anzupacken. „Kaputte Fensterscheiben oder Türschlösser, verstopfte Toiletten, ein Kurzschluss in der Beleuchtung – da heißt es schnell handeln, der Schulbetrieb soll ja weiterlaufen.“ Einen Plan B habe er stets in der Tasche, erklärt der gelernte Bauschlosser und Metallbaumeister. Und wenn mal wieder eine Podiumsdiskussion oder Tagung in den Schulräumen angesagt ist, heißt es zackig umräumen. „Dann müssen schon mal 140 Stühle gestellt werden.“
Den Überblick behalten, koordinieren – das muss May auch, wenn Handwerker wegen Renovierungen oder Baustellen anrücken. Oder wenn in den Ferien Fremdfirmen zur Grundreinigung kommen. Dass der Mann zudem reichlich Verständnis für die Sorgen und Nöte der Lehrer hat, liegt möglicherweise auch daran, dass seine Frau eben diesen Beruf ausübt – und der Sohn bereits als Referendar eingesetzt ist.
So ein ganz normaler Arbeitstag beginnt um 6.30 Uhr, wenn Holger May die knapp 20 Tore und Türen auf dem weitläufigen Schulgelände aufschließt. Sein zweiter Gang gilt dann den Parkplätzen und Gehwegen rund ums BSO: Liegen Speisereste, Müll oder Flaschen herum? Schweißtreibend wird es, wenn der 56-Jährige zum Heckenschneiden ausrückt oder im Herbst tonnenweise Laub zusammenkarrt. Stehen abends keine Veranstaltungen an, ist um 16.30 Uhr Feierabend.
Vandalismus ist kein Thema mehr, seit das BSO eingezäunt ist. „Und Schlägereien hatte ich noch nie.“ Wie er das schafft? „Es war schon einige Male kurz davor. Dann nehme ich mir den Aggressivsten zur Seite und rede ruhig mit ihm. Darauf hat sich das meist erledigt.“
Seine Kampfsport-Fertigkeiten als Trainer beim Judoclub Erbach musste May bisher nicht einsetzen. „Aber dort habe ich bestimmt auch gelernt, mit jungen Leuten umzugehen.“
Text: Birgit Reuther
Fotos: Guido Schiek
Quelle: Beitrag Echo-Online am 16.11.2017 (11.01.2017)
Beitrag: Kevin Sommer am 11.01.2017