Zahlen, die zählen: Wie eine sicherer Verschlüsselung digitaler Informationen erfolgt, zeigte Anna von Pippich auf Einladung des Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis.Dass Primzahlen nicht nur existieren, um immer größere Rechner zu entwickeln, erfuhren die Zuhörer bei dem zweiten Vortrag aus der Reihe Forum für Wissenschaft und Praxis der Beruflich Gymnasialen Oberstufe am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis (BSO).
 
Mit Professorin Anna von Pippich von der mathematischen Fakultät der Technischen Universität Darmstadt hatten die Veranstalter eine Expertin für das brisante Thema der Datenverschlüsselung aufgeboten. Onlinebanking, soziale Netzwerke, elektronische Bezahlsysteme, E-Mails oder Smartphones: Sie alle dienen der Übermittlung von Daten oder Sprache auf digitalem Wege. Da ist die Versuchung groß, sich auch illegaler Methoden zu bedienen, um an diese Datenströme zu gelangen. Daher ist es eine große Herausforderung an die Wissenschaft, Systeme zu entwickeln, die es unmöglich machen, diese Nachrichten auszuspionieren – oder zumindest nahezu unmöglich.
 
Schon seit mehreren tausend Jahren sind die Menschen versucht, Botschaften zu verschlüsseln, sodass nur Sender und Empfänger die Möglichkeit haben, diese geheimen Botschaften zu verstehen und lesen zu können. Schon Julius Caesar schrieb seiner Geliebten Cleopatra verschlüsselten Nachrichten, aber auch die Freimaurer hatten seit dem 16. Jahrhundert eine Geheimschrift, in der Buchstaben durch Zeichen ersetzt wurden. Diese Verschlüsselungstechnik war relativ schnell zu knacken. Seither war die Chiffrierung einer Nachricht der Dechiffrierung immer nur einen Schritt voraus.
 
Für die heutige Anforderung an Datensicherheit bei der Versendung elektronischer Informationen waren diese Methoden völlig unzureichend. Seit den siebziger Jahren wurde von IBM die symmetrische Verschlüsselung eingeführt, bei der die Daten sowohl beim Sender als auch beim Empfänger mit einem geheimen Schlüssel gesendet und gelesen werden. Beide benutzten in diesem Fall den gleichen geheimen Schlüssel.
 
Seit Ende der siebziger Jahre wird das sogenannte RSA-Verfahren angewendet, genannt nach seinen Entwicklern Rivest, Shamir und Adleman. Sie verhalfen den asymetrischen Verschlüsselungsverfahren zum Erfolg.
 
Welcher Schüler fragte sich nicht schon einmal, weshalb den Primzahlen eine solch große Bedeutung beigemessen wird, dass die Entdeckung jeder neuen bei Mathematikern einen entzückten Aufschrei erzeugt. Bei der Datenverschlüsselung erhält die Primzahl eine grundlegende Bedeutung. Sie ist im wahrsten Sinne des Wortes der Schlüssel des Geheimnisses.
 
Mit ihrem anspruchsvollen Beitrag angewandter Mathematik verstand es von Pippich, ihre Zuhörer teils in erstauntes, teils in resigniertes Schweigen zu versetzen. Mithilfe der Primzahlen, so legte sie dar, wird der öffentliche Teil einer asymetrischen Verschlüsselung erzeugt, indem die Nachricht in einen Zahlencode umgewandelt und anschließend mit dem Produkt zweier genügend großer Primzahlen über mathematische Formeln verknüpft wird.
 
Um die Nachricht zu lesen, benötigt man eine zweiten, den privaten und geheimen Schlüssel. Nur mit ihm gelingt es, den öffentlichen Schlüssel in das verwendete Primzahlenpaar zu zerlegen, mit denen wiederum über mathematische Formeln die Nachricht für den Empfänger erst lesbar wird. Die mathematischen Erläuterungen und die Beweisführung, dass dieses Verfahren funktioniert und beinahe nicht zu knacken ist, sorgte im Auditorium für so manche Schweißperle auf der Stirn. Bei einem anscheinend so sicheren Verfahren fragt sich der Betrachter dann doch, wie es dennoch zu solch gravierenden Sicherheitslücken wie denen kommen kann, die nun fast tagtäglich durch die Presse geistern. Dafür hatte allerdings auch von Pippich keine klare Antwort. Das Geheimnis liegt wohl in der ungeschickten Auswahl der Primzahlen und bei den Geheimdienstmitarbeiter, die unentwegt auf der Jagd nach eben diesem Schlüssel und seinem Algorithmus sind.
 
Text: Odenwälder Echo
Foto: Matthias Dinger
Beitrag: Kevin Sommer am 30.06.2015