Die Schülerinnen und Schüler der Q 3 des Beruflichen Gymnasiums waren in der Woche vor den Herbstferien auf Studienfahrt. Ein Teil von ihnen fuhr mit ihren Lehrern Christan Haßenpflug und Uwe Wiegmann nach Hamburg.

 Montag, 17.10.22

Um 7:15 sollte an diesem Montag die Odenwaldbahn am Bahnhof Michelstadt abfahren. Wir starteten mit 20 Minuten Verspätung.  Den Anschluss an den ICE in Frankfurt a. M. wurde dann auch verpasst. Die Sitzreservierungen, die in den Fernzügen der DB von Vorteil sind, waren hinfällig.  Mit einer Stunde Verspätung kamen wir in Hamburg an. Die Hansestadt zeigte sich Grau in Grau, und es regnete. Nachdem wir die Zimmer in unserem Hostel bezogen hatten, ging es zu den Landungsbrücken: ein obligatorischer Start für die Studienfahrt nach Hamburg.

Dienstag, 18.10.22

Der erste volle Tag unserer Studienfahrt begann trüb, doch dann kam die Sonne durch. Eine Stadtführung gab uns viele interessante Einblicke in die Hansestadt Hamburg und ihre Geschichte. Wahrscheinlich wurde Hamburg um 800 n. Chr. gegründet. Durch einen großen Brand im 19. Jahrhundert und die vernichtenden Luftangriffe im 2. Weltkrieg wurde die Stadt zweimal nahezu vollständig zerstört. Bemerkenswert ist das politische Selbstverständnis der Hamburger: Die sogenannte Bürgerschaft und der Senat regieren die Stadt auf Augenhöhe. Die Symbolik an der Fassade des Rathauses zeigt dies eindrucksvoll. Weitere Stationen auf unserer Stadtführung waren die Mönckebergstraße, die Speicherstadt und die Elbphilharmonie. Letztere ist neben dem Hamburger Michel ein Wahrzeichen der Stadt. Eine Station an den Landungsbrücken war der Alte Elbtunnel. Vor dem Bau des Tunnels 1911 mussten die Arbeiter von den Werften zu ihren Wohnungen mit Booten über die Elbe kommen. Dies kostete unzähligen Menschen das Leben. Heute wird das historische Bauwerk nur von Fahrradfahrern und Fußgängern benutzt. Zum Schluss der Stadtführung stand der Stadtteil St. Pauli auf dem Plan. St. Pauli ist ein Ort mit 20.000 Einwohnern und einer bemerkenswerten Historie. Im 19. und 20. Jahrhundert war St. Pauli ein Magnet für Seeleute und Arbeiter, die im Hamburger Hafen ihren Lebensunterhalt verdienten. Jede Woche bekamen die Männer ihr Geld in einer Lohntüte. Es kam nicht selten vor, dass die Frauen gleich am Hafen auf ihre Männer warteten, um die Tüte entgegenzunehmen – aus gutem Grund, lag doch eine ganze Reihe von Kneipen auf dem Weg nach Hause.

Am frühen Abend besuchen wir das Musical „König der Löwen“. Das Musicalhaus ist nur mit einer Fähre zu erreichen. „König der Löwen“ von Walt Disney kam 1994 in die Kinos. Vor genau 20 Jahren hat es im neu gebauten Stage Theatre Premiere an der Elbe gefeiert. Mehr als 13 Millionen Fans haben das Musical seitdem gesehen. Für uns war nach der Aufführung die Vorstellung nicht vorbei:  Der nächtliche Blick auf die Skyline von Hamburg und die imposante Elbphilharmonie war ganz großes Kino.

 

Mittwoch, 19.10.22

Um 9 Uhr ging es mit dem Bus vom Altonaer Bahnhof nach Finkenwerder. Dort befindet sich Airbus. Der Konzern ist nicht nur ein international agierendes Unternehmen, sondern auch der größte Arbeitgeber in Hamburg. Neben dem reinen Flugzeugbau vereinigen sich unzählige Berufszweige, die dieses Unternehmen für viele interessant machen. Wir waren beeindruckt von den Ausmaßen des Geländes und den riesigen Fertigungshallen. 2005 konnte der erste A 380 ausgeliefert werden. Das für den Bau der Fertigungshallen benötigte Terrain grenzte damals an ein Naturschutzgebiet, was Umwelt- und Naturschützer auf den Plan rief, die jedoch die Baumaßnahmen nicht verhindern konnten. Erfolgreicher waren die Menschen von Blankenese, dem auf der anderen Elbseite gegenüber liegenden Stadtteil. Bewohner dieses doch sehr wohlhabenden Viertels setzen durch, dass die riesigen Fassaden der Hangars aus Glas gebaut wurden, damit eine gewissen Transparenz entsteht. Schon knapp 19 Jahre später wurde die Produktion des gigantischen „Vogels“ wieder eingestellt. Er war zu groß, zu teuer und damit zu unrentabel. Ein Beispiel: Auf 100 km verbraucht der A 380 etwa 5.000 bis 7.000 Liter Kerosin (pro Triebwerk). Nicht nur die reinen Betriebskosten, sondern auch die Infrastruktur auf den Flughäfen machten den Flieger zu kostspielig. Somit konnten wir keinen dieser Giganten der Lüfte in den extra dafür gebauten Hallen bestaunen.

Airbus setzt auf modernere und sparsamere Flugzeuge. Die Modelle aus der Reihe A 320 sind ein Beispiel dafür – zwei Triebwerke und eine leichtere Bauweise. Somit sind diese Flugzeuge für die Fluggesellschaften wirtschaftlich zu betreiben. Auf europäischer Ebene soll die Fliegerei 2050 klimaneutral werden. Airbus setzt sich dieses Ziel schon für 2035. Zukünftig soll Wasserstoff eingesetzt werden. Die Wasserstoffherstellung ist allerdings drei bis vier Mal so teuer wie die von Kerosin. Hinzu kommt, dass die Tankkapazität um ein Drittel erweitert werden muss. Zusätzliche Tanks sollen in den hinteren Teil des Flugzeuges eingebaut werden. Bemerkenswert ist auch, dass Airbus plant, die Produktion von 40 Maschinen pro Monat auf 70 zu erhöhen. Dazu muss der Zweischichtbetrieb auf eine Dreischichtbetrieb aufgestockt werden. Der Vertrieb wird sich in Zukunft auf ein Leasingsystem stützen. Wie auch in der Automobilindustrie und anderen Branchen werden Flugzeuge an die einzelnen Fluggesellschaften ausgeliehen. Nach einem Leasing-Wechsel erhält der Flieger lediglich eine neue Lackierung der entsprechenden Fluggesellschaft. 100 Millionen Euro für einen Flieger können auf diese Weise auf mehrere Gesellschaften aufgeteilt werden.

Auf dem Rückweg nutzten wir die Fähre von Finkenwerder zu den Landungsbrücken – ein öffentliches Verkehrsmittel mit Sightseeing-Charakter. Beeindruckend ist der Blick von der Elbe auf die Wahrzeichen der Stadt. Nicht nur die Elbphilharmonie, sondern auch die Häuserreihe der Hafenstraße am Elbufer konnten wir von der Fähre bestaunen. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts war diese Häuserzeile Schauplatz politischer und sozialer Auseinandersetzungen. Die Häuser sollten modernen Bürogebäuden weichen. Die Bewohner wurden zu Hausbesetzern und wehrten sich – es kam zu schweren Auseinandersetzungen. Der damalige Oberbürgermeister Klaus von Dohnanyi trat auch aufgrund dieser Ereignisse von seinem Amt zurück. Dies ist ein nicht das einzige Beispiel dafür, dass Stadtentwicklung nicht immer mit dem Wohl der BürgerInnen einher geht.

Am Nachmittag stand eine Führung in die Dunkelheit an. Für viele von uns war das fast schon eine Grenzerfahrung. Von einem Moment auf den anderen wurde unser Augenlicht ausgeschaltet. Ein Guide führte uns durch verschiedene Themenräume. Zum Schlusse der Tour konnten wir im „Dunkelcafé“ Getränke und Kleinigkeiten bestellen – alles in völliger Dunkelheit. Der Guide, der selbst seit seinem zweiten Lebensjahr nur 2 % seines Augenlichtes besitzt, beantwortete offen und ehrlich unsere Fragen: Wenn man einem Menschen mit Sehbehinderung in der Öffentlichkeit helfen möchte, sollte man ihn auf keinen Fall ungefragt anfassen, um ihm behilflich zu sein. Klar, wir, die nicht beeinträchtigt sind, würden das auch nicht wollen! „Dialog im Dunkeln“ ist ein Muss auf einer Studienfahrt nach Hamburg.

Donnerstag, 20.10.22

An Donnerstag standen Wahlpflicht-Programme an: Hamburg bietet einfach zu viele Attraktionen, daher galt es, sich zu entscheiden. Geht es in das Hamburg-Dungeon, eine einzigartige und spannende Attraktion, die in die dunkle Vergangenheit Hamburgs führt? Echte SchauspielerInnen, wahre Geschichten und düstere Gestalten erwecken die schlechte alte Zeit zum Leben.

Oder in Hagenbecks Tierpark, der bei herrlichem Herbstwetter ein lohnenswertes Ziel in Hamburg ist?

Oder auf die Aussichtsplattform der Elbphilharmonie, die einen atemberaubenden Rundblick auf die Hansestadt bietet?

Oder steht die Besteigung des Hamburger Michels an, des Turms der Barockkirche St. Michaelis? In diesem historischen Wahrzeichen, das den Seeleuten als Orientierung diente, fand der Trauergottesdienst für berühmte Persönlichkeiten wie beispielsweise Helmut Schmidt statt.

Oder ein Bummel über die Mönckebergstraße? Durch den Bau der Verbindung zwischen Rathaus und Bahnhof mussten unzählige Wohnhäuser weichen – auch ein Beispiel für die Nebenwirkungen „moderner“ Stadtentwicklung.

Oder ein Gang durch die Speicherstadt? Auch dieser mussten im 20. Jahrhundert hunderte Wohnhäuser Platz machen.

Oder die Hafencity, die im alten Hafengebiet entsteht und im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden gestampft wird?

Freitag: 21.10.22

11:04: Der ICE 577 fuhr pünktlich aus dem Bahnhof von Altona. Bis auf eine kleine Signalstörung kurz vor Frankfurt am Main gab es keine besonderen Vorkommnisse, und wir sind rechtzeitig in Michelstadt angekommen.

Text und Fotos: Christian Haßenpflug

Beitrag: Dr. Sabine Hofmann am 7.11.2022